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Montag, 20. Juni 2022

Die Chronologie zur Geschichte der Rus und der sogenannten „Ukraine“...

... vom 9. Jahrhundert bis zum Vorabend des „ersten Majdan“ Ende 2004.

- Eine Aufstellung vom Februar 2015 anlässlich eines Schulreferats der Schülerin Larissa (Nachname nicht bekannt) im Fach Geschichte. Larissa wurde dafür mit einer 1 benotet. -

Das Gebiet der heutigen Ukraine in den Jahren 1015 bis 1113

9. Jht. Entstehung des ostslawischen Reichs der Kiewer Rus (Киевская Русь) (aus Skandinavien eingewanderte Wikinger [Waräger] als Oberschicht, überwiegend bäuerliche slawische Mehrheitsbevölkerung), allmähliche Slawisierung der skandinavischen Oberschicht

Stammvater des Herrscherhauses der „Rurikiden“: Rurik (russ. Рюрик, altnord. Hrœrikr „berühmter Herrscher“)

Erste Zentren: Kiew und (heute: Groß-)Nowgorod (Великий Новгород, Naugard, Hólm­garðr) in Nordwestrußland


988 „Taufe der Kiewer Rus“ mit Annahme des Christentum (von Byzanz her, im östlichen Ritus) unter Fürst Wladimir dem Heiligen (Владимир Святой, Владимир Великийoder Владимир Креститель)


um 1000 Abschluß des Christianisierung des Volks


1019–1054 Regierung Großfürst Jaroslaws des Weisen (Ярослав Мудрый), wirtschaftliche und kul­turelle Blüte, Höhepunkt der Macht der alten Kiewer Rus

12. Jht. durch Erbfolgeregelungen bedingte Zersplitterung des Reichs in sich befehdende Teilfür­stentümer, Übergang des Großfürstentitels an das Fürstentum Wladimir-Susdal


1220-1240 „Mongolensturm“, Unterwerfung der Teilfürstentümer der Rus unter mongolische Herr­schaft (Tribut- und Kriegsfolgepflicht gegenüber der „Goldenen Horde“ der Mongolen mit Zentrum an der unteren Wolga)

in der Folge allmähliche Verschiebung der slawischen Siedlungsschwerpunkte in den vonden Mongolen weniger gefährdeten Norden, Abbruch der bis dahin engen Beziehungen mit Nord- und Mitteleuropa

13. Jht. Ausbau der Vormacht von Wladimir-Susdal unter den Teilfürstentümern der Rus durch Großfürst Alexander Njewskij, jedoch bald unter Wahrung des Titel Verlagerung des Sitzes der Großfürstenwürde von Wladimir nach Twer


1299-1325 Verlegung der Kiewer Metropolie (und damit des kirchlichen Zentrums) zunächst nach Wladimir, dann endgültig nach Moskau

1328 Übernahme des Großfürstentitels durch den Moskauer Fürsten Iwan Kalita (Иван Калита) (fortan Großfürst von Wladimir und Moskau) und damit der Vormacht innerhalb der Rus


1300-1430 im Westen der ehemaligen Kiewer Rus eignet sich Litauen immer mehr Gebiete an: nörd­lich Weißruthenien (Weißreußen, Weißrußland, russ. Белоруссия, weißruss. Беларусь), weiter südlich Eroberung Kiews, Vorstoß vorübergehend weit über den Dnjepr nach Osten in die Tatarengebiete


1340 Anschluß des südwestlichsten Teils der ehemaligen Kiewer Rus, des sogenannten Rot­reußen (Rotrußland, Rotruthenien, russ. Червоная Русь) an Polen durch Kasimir d. Gr. (zuvor hatte das Gebiet kurzzeitig zur ungarischen Krone gehört  und dabei den Statuseines „Königreichs Galizien“ [nach der damals wichtigen Stadt Halitsch, russ. Галич] er­halten, den es in der Folge behielt)

1380 Sieg des (groß-)russischen Heers unter dem Moskauer Großfürsten Dimitrij Donskoj (Дмитрий Донской) auf dem „Schnepfenfeld“ (Куликово поле) am oberen Don (Gebiet Tula südlich Moskaus), allmählicher Zerfall der Goldenen Horde

1386 Zusammenschluß Polens und Litauens in Personalunion unter einem Herrscher (Groß­fürst Jagiello)


15. Jht. muslimische Tatarenchanate (Kasan, Krim, Astrachan) treten Nachfolge der zerfallenden Goldenen Horde an; die südlichen und östlichen Territorien der ehemaligen Kiewer Rus im Einflußbereich der Tataren (die dort keinen Territorialstaat errichten, sondern das Ge­biet immer wieder durch Raubzüge verheeren) werden eine Art herrschaftsfreier Zone („Wildes Feld“, russ. Дикое поле)


ab 15. Jht. allmähliche dialektale und kulturelle Differenzierung in später so genannten drei Haupt­äste des (Ost-)Slawentums: Großruthenen („Moskowiter“, zunächst noch den Tataren tri­butpflichtig), Weißruthenen (unter litauischem Einfluß) und Rotruthenen (unter starkem polnischem Einfluß bei Polonisierung des Adels)


15. Jht. allmähliche Einung der noch den Tataren tributpflichtigen Teilfürstentümer der Rus un­ter Moskauer Führung


Ende 15. Jht. im weithin versteppten „Wilden Feld“ beginnt sich das Kosakentum zu bilden: kleinere, heterogene (Slawen, Tataren) Gruppen umherstreifender, oft räuberisch lebender Krieger erhalten mehr und mehr Zulauf ostslawischen Volks, das anderswo keine Zukunft sah oder Freiheit suchte (etwa vor polnischer Bedrückung in Rotreußen), woraus sich das in Verfassung und Kriegswesen tatarisch geprägte, ethnisch immer deutlicher ostslawische Wehrbauerntum der nun so genannten Kosaken bildet


1547 Großfürst Iwan IV. „der Schreckliche“ (Иван Грозный, *1530) nimmt den Zarentitel an, Krönung durch den Moskauer Metropoliten, Einführung byzantinischen Hofzeremoniells; in seiner Regierung modernisiert Iwan IV. den Staat, schränkt die Macht des hohen Adels (der Bojaren) ein und stärkt die lokale und bäuerliche Selbstverwaltung


1552 Sieg Iwans IV. über die Tataren von Kasan, Eroberung des Kasaner Chanats

1554 Eroberung auch des Tatarenchanats von Astrachan


16./17. Jht. Ausbreitung der Kosaken (bisher Saporoger Kosaken in den Randzonen der Tatarenge­biete an Schwarzmeerküste und Krim, Donkosaken weiter östlich zwischen Donjez und Don) in die neuerworbenen Tatarengebiete, von wo aus sie in der Folge die Hauptträger der russischenEroberung und Erschließung des Kaukasus, Sibiriens und Zentralasiens werden


17. Jht. Ausbildung des Saporoger Kosakentums zu einem regelrechten Staatswesen – dem Het­manat – unter Leitung eines Hetmans


1654 Erhebung der Saporoger Kosaken unter Hetman Bogdan Chmelnitzkij (Богдан Хмельниц­кий) gegen die polnische Herrschaft, wodurch das linksufrige Kosakengebiet (östlich des Dnjepr) mit Kiew, Tschernigow, Sumy und Poltawa dauerhaft zum Nachfolgestaat der al­ten Rus zurückkehrt, dem Moskauer Zarentum

 

1762-96 Regierung Katharinas II. der Großen (russ. Екатерина Великая, geboren als Prinzessin Sophia von Anhalt-Zerbst) als Zarin über das Rußländische Reich

1772-95 „Polnischen Teilungen“ unter Preußen, Österreich und Rußland, neben Litauen und Weiß­rußen fallen Wolhynien und Podolien (die rechtsufrigen Gebiete des einstigen Kiewer Fürstentums, westlich des Dnjepr) an das Moskauer Zarenreich; nurGalizien (Rotreußen) kommt zu Österreich und bleibt damit weiter außerhalb


1774-94 Siege über die (inzwischen unter Oberherrschaft des Osmanischen Reichs stehenden) Krim­tataren, Annexion deren ganzen Gebiets (der nördlichen Schwarzmeerküste einschließlich der Krim) unter Führung des Feldmarschalls Fürst Potjomkin (Григорий Александрович Потёмкин), Bildung des Gouvernements Neurußland (Новороссия) aus den erworbenen Gebieten, Gründung von Städten wie Jekaterinoslaw (Екатеринослав, heute Днепропе­тровск), Odessa (Одесса) und Sewastopol (Севастополь)


um 1800 das Gouvernement Neurußland (Новороссия) des Rußländischen Reichs mit der Haupt­stadt Jekaterinoslaw faßt im wesentlichen die in den letzten Jahrzehnten neu- oder wie­dergewonnenen Gebiete zusammen: vom Dnjester mit Tiraspol über Odessa, Nikolajew, Cherson, die Krim und Mariupol die ganze Nordküste des Schwarzen Meers bis Rostow am Don, nach Norden nicht weit hinausreichend über Elisabethgrad (Елисаветград, heute Кировоград), Jekaterinoslaw und Bachmut (Бахмут, heute Артёмовск); nicht zu Neuruß­land zählte die sogenannte Sloboda-Ukraine oder Slobodische Mark (Слобожанщина, Слободская Украина) mit dem Hauptort Charkow, die schon länger von den dortigen Kosaken dem „Wilden Felde“ und der tatarischen Bedrohung abgewonnen war (von Sumy im Nordwesten ostwärts bis Starobelsk knapp vor Lugansk, nach Norden über Belgorod in der heutigen Rußländischen Föderation hinausreichend)


19. Jht. Entstehung einer Literatur in „ukrainischer“ oder „kleinrussischer“ Sprache innerhalb des Rußländische Reichs als Teil der russischen Literaturszene sowie mit einiger Verzögerung  auch im österreichischen Galizien

Exkurs: „Ukraine“, russ. Украина, eigentlich „Grenzland, Mark“, bezeichnete seit dem 16. Jht. ohne exakte Abgrenzung vor allem die Gebiete um den mittleren Dnjepr mit Tscher­kassy und Krementschug im Zentrum; der Begriff „Kleinrußland“, russ. Малороссия, Мала[я] Русь, kam im 17. Jht. als Bezeichnung ungefähr derselben Gebiete auf, soweit sie dem Rußländischen Reich unterstanden. Beide Begriffe werden jahrhundertelang mehr oder weniger gleichwertig gebraucht.


ab ca. 1850 Entstehung einer „ukrainischen“ Nationalbewegung (man sagt nun „ukrainisch“ und emp­findet den Begriff „kleinrussisch“ als pejorativ) vor allem im österreichischen Galizien, dort unter bald staatlicher Förderung bei gleichzeitiger Unterdrückung „panslawischer“ Ideen („slawische Dreieinigkeit“ aus Groß-, Klein- und Weißrussen), die jedoch in Kleinrußland (innerhalb des Rußländischen Reichs) überwogen


Exkurs: Vordenker der staatlichen Förderung des „ukrainischen“ Nationalismus ist der baltendeutsche protestantische Theologe und Kolonialpolitiker der wilhelminischen Zeit Paul Rohrbach; ihm ging es vor allem um Eindämmung und möglichst Spaltung Rußlands, wel­ches er als hauptsächlichen Konkurrenten des deutschen Reichs auf dem Kontinent sah. Eine zu schaffende unabhängige „Ukraine“, möglichst im deutschen Einflußbereich, sollte Ruß­land schwächen und Deutschland den Zugang zu den dortigen Rohstoffen und direkte Verbindungswege in die Vorderen Orient sichern. Österreich nahm Ende des 19., Anfang des 20. Jht.s diese Gedanken auf, zumal es Rußland als ideelle Schutzmacht der orthodoxen Serben innerhalb Österreich-Ungarns zunehmend ebenfalls als Bedrohung sah.


08.03.1917 (23. Februar alten Stils) im Weltkrieg Februarrevolution in Rußland, Absetzung des Za­ren, Einsetzung einer provisorischen Regierung unter Alexander Kerenskij

April 1917 „Gesamtukrainischer Nationalkongreß“ in Kiew, daraus hervorgehend Zentralrat (Цен­тральна Рада) als regionales Revolutionsparlament innerhalb des Rußländischen Reichs


07.11.1917 (25. Oktober alten Stils) Oktoberrevolution in Rußland durch die kommunistischen Bol­schewiken, Absetzung der provisorischen Regierung Kerenskij

20.11.1917 Ausrufung einer „Ukrainischen Volksrepublik“ (Українська Народна Республіка) als Teil einer noch vorgesehenen föderativen Rußländischen Republik für Januar 1918


15.12.1917 Waffenstillstand des revolutionären Rußland mit den Mittelmächten

Jan. 1918 Ausrufung einer „Sowjetrepublik Odessa“, unter Einschluß Bessarabiens und des Gebiets von Nikolajew (als Teil Sowjetrußlands, gegen die „Ukrainischen Volksrepublik“)


Jan. 1918 Ausrufung einer „Ukrainischen Sowjetrepublik“ in Charkow mit Anspruch auf das Terri­torium der „Ukrainischen Volksrepublik“

Jan. 1918 Versuch eines bolschewistischen Aufstands in Kiew


25.01.1918 nach Niederschlagung des bolschewistischen Aufstands in Kiew Ausrufung der „Ukraini­schen Volksrepublik“ als eines selbständigen, vom bolschewistischen(„roten“) Rußland unabhängigen, bürgerlich („weiß“) regierten Staats durch den Vorsitzenden des Zentralrats Michail Gruschewskij (vom Anspruch her über die heutige Ukraine weit hinaus nach Süd­Rußland reichend, jedoch ohne Galizien; faktisch unter Kriegs- und Bürgerkriegsbedingun­gen vor allem auf die zentralen Gebiete beschränkt)

Febr. 1918 „Brotfriede“ der „Ukrainischen Volksrepublik“ mit den Mittelmächten; „Ukrainische Volks­republik“ ruft das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn zu Hilfe gegen die anrückenden Truppen der „Roten“


Febr. 1918 Ausrufung einer „Sowjetrepublik Donezk-Kriwoj Rog“ (Донецко-Криворожская Советская Республика) um die Industriegebiete „Kriwbass“ und „Donbass“ unter Einschluß weiter nördlicher (Sumy, Jekaterinoslaw, Charkow), östlicher (Rostower Donkosaken) und süd­licher Gebiete (Cherson) mit Sitz in Charkow, in direkter Konkurrenz sowohl zur Kiewer „Ukrainischen Volksrepublik“ als auch zur gerade erst in Charkow gegründeten „Ukraini­schen Sowjetrepublik“, weil man sich in diesen russisch redenden Landesteilen nicht mit den „Ukrainern“ zu einer Sowjetrepublik zusammenfassen lassen wollte


03.03.1918 Friedensvertrag von Brest-Litowsk zwischen dem revolutionären Rußland und den Mittel­mächten, der Rußland den Verzicht auf seine westliche und südlichen Territorien vom Baltikum bis in den Kaukasus diktierte, wo ein System vom Deutschen Reich abhängiger Klientelstaaten geschaffen werden sollte


19.03.1918 ein in Jekaterinoslaw zusammengetretener „Allukrainischer Sowjetkongreß“ muß auf Befehl des Revolutionsführers Lenin die Auflösung der „Sowjetrepublik Donjezk-Kriwoj Rog“beschließen und damit die „Ukrainische Sowjetrepublik“ wiederherstellen



Apr. 1918 deutsche Truppen haben fast das ganze für Klientelstaaten vom Baltikum bis Rostow am Don in Südrußland besetzt, in den Gebieten der „Ukrainischen Volksrepublik“ gemeinsam mit österreichisch-ungarischen Truppen; die „Sowjetrepublik Odessa“ und die „Ukraini­sche Sowjetrepublik“ in Charkow sind durch die deutsche Besetzung faktisch aufgelöst


28.04.1918 das deutsche Heereskommando in Kiew unter General Wilhelm Groener setzt die Regie­rung der „Ukrainischen Volksrepublik“, von dem man gerufen worden war, mit vorgehal­tenen Waffen ab, läßt eine Großgrundbesitzerversammlung zusammentreten und von die­ser den extrem ukrainisch-nationalistischen früheren zaristischen General Pawel Skoropadskij zum Hetman des nun so genannten „Ukrainischen Staats“ wählen

Ende 1918 Rückzug der österreichisch-ungarischen und des Großteils der deutschen Truppen


14.12.1918 Wiederherstellung der „Ukrainischen Volksrepublik“ unter einem „Direktorium“, Sturz und Vertreibung Skoropadskijs, der nach Berlin flieht; faktische Kontrolle über das bean­spruchte Gebiet besteht nur teilweise


06.01.1919 neuerliche Ausrufung einer „Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik“ (Украинская Советская Социалистическая Республика) durch die „Roten“

März 1919 das durch das deutsche Heer wiedergegründete Polen hat Wolhynien eingenommen, Schwarz­meerküste und Krim werden von zaristischen Truppen („Weißen“) beherrscht, die „Roten“ sind weit über den Dnjepr vorgedrungen und haben Kiew eingenommen; die „UkrainischeVolksrepublik“ (unter Führung von Simon Petljura, russ. Симон Васильевич Петлюра) existiert nur noch in einem kleinen Gebiet um Schitomir (Житомир) und Winniza (Винница)


Nov. 1919 die „Weißen“ haben die „Roten“ vorübergehend weit zurückgeworfen und kontrollieren den größten Teil der heutigen Ukraine und fast ganz Südrußland, während von Westen Polen weiter vorrückt; die „UkrainischeVolksrepublik“ beschränkt sich auf ein kleines Ge­biet um Winniza


1920 in erbitterten Kämpfen besiegen die „Roten“ auf der einen Seite die „Weißen“, auf der anderen drängen sie Polen zurück; die „Ukrainische Volksrepublik“ in Winniza geht endgültig unter, Polen behält neben Galizien (das sich vorübergehend als „Westukrainische Volksrepublik für unabhängig deklariert hatte) große Teile Wolhyniens und Weißrußlands


ab 1920 Polonisierungspolitik durch die polnische Regierung in Galizien und Wolhynien, Beginn eines Untergrundkampfes extremistischer „Ukrainer“ mit terroristischen Aktionen in die­sen Gebieten


Dez. 1922 nach Beendigung des Bürgerkriegs wird formal die „Union der Sozialistischen Sowjet­republiken“ (UdSSR, russ. Союз Советских Социалистических Республик [СССР] als Nachfolgestaat des Rußländischen Reichs (und in dessen staatlicher Kontinuität stehend) ausgerufen; die „Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik“ (USSR) ist damit eine der Einzelrepubliken, in welche sich die UdSSR jetzt formal gliedert; Hauptstadt der USSR bleibt vorerst Charkow (bis 1934, ab da Kiew); die Grenzen orientieren sich dabei an jenen des „Ukrainischen Staats“ Skoropadskijs, jedoch ohne die östlichen Gebiete um Rostow am Don; Galizien und Teile Wolhyniens bleiben bei Polen, die Krim als autonome Republik bei der „Rußländischen Föderativen Sozialistischen Sowjetrepublik“ (Российская Советская Федеративная Социалистическая Республика) innerhalb der UdSSR


1929 in Wien (dem wichtigsten Rückzugsgebiet ukrainischer Extremisten vorwiegend aus dem nun polnischen Galizien, neben Exilantengruppen um Petljura in Paris und um Skoro­padskij in Berlin) Gründung der OUN („Organisation Ukrainischer Nationalisten“, ukr. Організація Українських Націоналістів)


1939-1945 mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Besetzung Ostgaliziens und Wolhyniens durch die Truppen der UdSSR gemäß den Vereinbarungen des sogenannten „Hitler-Stalin-Pakts“


1942-44 im Kriegsverlauf Besetzung Ostgaliziens und Wolhyniens durch deutsche Truppen


ab 1942 Kooperation vieler nationalistischer Ukrainer mit den deutschen Besatzungstruppen, Bil­dung einer eigenen ukrainischen Waffen-SS-Division (14. Waffen-Grenadier-Division der SS „Galizien“ [Галичина])


1943 in Wolhynien unter Führung von Stepan Bandera (ukr. Степан Андрійович Бандера) Gründung der UPA (Ukrainische Aufstandsarmee, ukr. Українська Повстанська Армія) als bewaffneten Arms der OUN


1943-55 die UPA, die sich in Ideologie und Symbolik eng an den deutschen Nationalsozialismus anlehnt, führt einen grausamen Untergrundkrieg gegen die polnischen und jüdischen Be­völkerungsteile Galiziens und Wolhyniens, wobei weit über hunderttausend Menschen, möglicherweise mehrere Hunderttausend, den Massakern der UPA zum Opfer fallen; teil­weise kommt es auch zu Kämpfen gegen die ursprünglich als verbündet angesehenen deut­schen Truppen sowie nach deren Rückzug gegen die sowjetische Armee, die nach Kriegs­ende von der sich allmählich in rivalisierende Gruppen auflösenden UPA noch bis etwa Mitte der 50er Jahre als Guerillakrieg mit Anschlägen gegen sowjetische Einrichtungen und Sicherheitsorgane fortgesetzt werden


1945 erneute Besetzung Ostgaliziens und Wolhyniens sowie Karpatenrußlands durch sowjeti­sche Truppen, Annexion durch die UdSSR gemäß den Vereinbarungen der Konferenz von Jalta (mit dem britischen Ministerpräsidenten Churchill und dem amerikanischen Präsi­denten Roosevelt), Anschluß an die USSR


1954 verwaltungstechnische Angliederung der Krim an die USSR durch den damaligen sowje­tischen Parteichef Nikita Chruschtschow

Aug. 1991 gescheiterter Putschversuch in Moskau gegen den damaligen sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow, der eine Liberalisierung des Staats vorantrieb („Perestrojka“)


24.08.1991 als Reaktion auf den Moskauer Putschversuch Verabschiedung einer formalen Unabhängig­keitserklärung durch den Obersten Sowjet oder Rat (russ. Верховный Совет, ukr. Верховна Рада) der USSR und Ansetzung eines (verfassungswidrigen) Referendums darüber für Dezember 1991


01.12.1991 Durchführung des Referendums, das eine Mehrheit von etwa 90 % für eine Unabhängig­keit der USSR ergibt; zugleich Wahl des bisherigen Vorsitzenden des obersten Sowjets der USSR, Leonid Krawtschuk (Леонид Макарович Кравчук), zum Präsidenten der Ukraine, also zum Staatsoberhaupt; Krawtschuk, aus Wolhynien stammend, langjähriger Spitzen­funktionär der kommunistischen Partei, hatte sich ab etwa 1989 zum Anführer einer „nationalkommunistischen“ Gruppe aufgeschwungen, die Partei aber im August 1991 verlassen


08.12.1991 Vereinbarung von Beloweschskaja Puschtscha (Беловежская пуща, Weißrußland) zwi­schen den jeweiligen Vorsitzenden der Obersten Räte (Sowjete) der Rußländischen, der Ukrainischen und der Weißrussischen SSR, Boris Jelzin, Leonid Krawtschuk und Stani­slaw Schuschkewitsch, zur Auflösung der Sowjetunion (de facto ein Staatsstreich gegen den Zentralstaat!)

ab 1992 Einleitung einer sogenannten „Reformpolitik“ nach den Vorgaben westlicher Berater


Exkurs: Kern der wirtschaftlichen „Reformen“ seit der Unabhängigkeit sind die weitgehende Privatisierung der Wirtschaft und die Aufhebung der sozialstaatlichen Regelungen aus sowjetischer Zeit. Staatliche Fürsorge wurde ersatzlos abgeschafft (so das kostenlose Gesund­heitssystem und die Garantie eines Arbeitsplatzes). Ein Ersatz in Form einer gesetzlichen Kranken- oder Arbeitslosenversicherung bestand nicht und besteht bis heute nicht. Krank­heit bedeutet seitdem für ärmere Bevölkerungsschichten oft unmittelbar wirtschaftliche Not. Die Lebenserwartung ist gesunken, die Bevölkerungszahl von fast 52 Mio. zu Be­ginn der Unabhängigkeit durch erhöhte Sterblichkeit, verminderte Geburtenrate sowie Auswanderung um rund 6,5 Mio. oder 12,5 % auf heute nur noch wenig über 45 Mio. zu­rückgegangen.


Die Privatisierung von Staats- oder „volkseigenen“ Unternehmen und Bodenschätzen er­folgte meist ohne Rücksicht auf die dort Beschäftigten. Fast immer wurden Unternehmen, Abbaurechte und dergleichen in undurchsichtigen Verfahren zu einem Bruchteil ihres Werts an Personen verkauft, die aus der Sphäre der organisierten Kriminalität stammten oder zu­mindest auf ungeklärte Weise zu den zwar unangemessen niedrigen, für „Sowjetbürger“ aber immer noch exorbitant hohen Summen Geldes gekommen waren, welche sie für ihre Erwerbungen bezahlten.


Auf diese Weise wurden wenige Personen binnen kurzem zu Milliardären (den bald so genannten „Oligarchen“), eine kleine Minderheit (die „neuen Russen“, wie man sie nannte) gelangte zu großem Reichtum, doch die breite Mehrheit des Volks fiel in ihrem Lebens­standard weit hinter ihren aus sowjetischer Zeit gewohnten Status zurück.


Parallel dazu wucherte die Korruption immer mehr. Das Phänomen als solches kannte schon das zaristische Rußland, in sowjetischer Zeit lebte es weiter, nur in der Stalinzeit vor­übergehend unterdrückt. Unter den beschriebenen Auspizien der Unabhängigkeit fielen gleichsam alle Schranken, die Korruption wurde ganz bestimmend in Alltag und Politik.


Ein wichtiger Machtkern oligarchischer Kontrolle der Politik wurde in den 1990er Jahren die „Sozialdemokratische Partei der Ukraine“ (ukr. Соцiал-демократична партiя Украї­ни) um Viktor Medwedtschuk (Виктор[Віктор] Медведчук) und die Brüder Surkis (Гри­горий[Григорій] und Игорь Суркис [Ігор Суркіс]). Ab 1994 saß für diese Partei unter andern Leonid Krawtschuk im Parlament (der Werchowna Rada), ab 1998 auch Pjotr Poroschenko (Пётр[Петро] Порошенко).


Die meisten der in der Folge gegründeten Parteien standen und stehen unter der Kontrolle der einen oder andern Oligarchengruppierung, wenigstens drei Viertel der Abgeordne­ten des Parlaments sind von den Oligarchen abhängig. Die häufigen Parteiwechsel ein­zelner Abgeordneter oder meist von ganzen Abgeordnetengruppen erklären sich aus dem Geschiebe um Einflußsphären der Oligarchen.


Neben diesem oligarchisch bestimmten Parteiwesen besteht aus sowjetischer Zeit die Kom­munistische Partei unter Pjotr Simonjenko (Пётр Николаевич Симоненко) fort; ferner entstand außerhalb des oligarchisch kontrollierten Systems die Progressive Sozialistische Partei der Ukraine (Прогрессивная социалистическая партия Украины) unter Natalia Witrenko (Наталья Михайловна Витренко).


Ein weiterer bestimmender Faktor der ukrainischen Politik neben den Oligarchen ist die Sprachenfrage, die in sowjetischer Zeit keine nennenswerte Rolle spielte, mit der Unab­hängigkeit aber neu auflebte, oder besser: erstmals zum echten Problem wurde.


Zwar hatte Lenin mit der Schaffung der USSR ein staatliches Gebilde unter „ukraini­schem“ Namen geschaffen, welches in seiner Ausdehnung mit gewissen Abstrichen den Ansprüchen der ukrainischen Nationalisten entsprach, erst recht nach der Angliederung Galiziens durch Stalin; es blieb aber integraler Teil des alten Rußländischen Reichs, das nun Sowjetunion hieß.


Die Volkssprache war nur im Westen Ukrainisch, im Süden und Osten sprach man Rus­sisch in derselben südrussischen Mundart wie auf der andern Seite der Verwaltungs­grenzen der USSR, z. B. in Belgorod oder Rostow am Don, die Zentralukraine war eine Übergangszone, bei Überwiegen des Ukrainischen auf dem Land und gemischten Ver­hältnissen in den Städten. Staats-, Verwaltungs-, Unterrichts- und Literatursprache, also die Sprache des öffentlichen Lebens, war Hochrussisch.


Anfang der neunziger Jahre wurde schlagartig Ukrainisch als Staats-, Verwaltungs-, und Unterrichtssprache eingeführt, eine Maßnahme, die im Süden und Osten vom Volk nie akzeptiert und dort auch verwaltungsseitig nur schleppend umgesetzt wurde. An der tat­sächlich vom Volk gesprochenen Sprache hat die staatliche Ukrainisierungspolitik kaum etwas geändert, im Gegenteil: Eine Untersuchung der Ukrainischen Akademie des Wis­senschaften hat vor einigen Jahren ergeben, das der Gebrauch des Russischen in fast allen Regionen der Ukraine im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre weiter zugenommen hat; ledig­lich im äußersten Westen hat das Ukrainische sein Übergewicht noch ausbauen können.


Der im Alltag bevorzugten Sprache entspricht meist auch die gewissermaßen kulturelle Orientierung des Volks: der Blick nach Westen oder nach Rußland. Dieselbe Teilung fin­det sich – neben den oligarchischen Einflußsphären – auch im Parteiensystem wieder. Jede Partei gilt als entweder westlich oder als russisch orientiert.


In der praktischen Politik spiegelte sich die „russische Orientierung“ unter den aus dem alten „Neurußland“ stammenden Präsidenten Kutschma (1994-2005) und Janukowitsch (ab 2010, 2014 durch einen Putsch abgesetzt) nur sehr begrenzt wieder. Die Schaffung einer ukrainischen Geschichtsmythologie (mit Rückführung auf die antiken, angeblich „arischen“ Skythen – das „Ariertum“ spielt in diesem Ukrainemythus eine wichtige Rolle) wurde un­gebrochen fortgesetzt als willkommene Rechtfertigung der eigenen Unabhängigkeit: offen­sichtlich ein primäres oligarchisches Interesse, beherrschte man doch faktisch den Staat und konnte so ungehindert die eigenen wirtschaftlichen Interessen bedienen. So war es auch erst Präsident Janukowitsch, der 2012 – in Einlösung eines Wahlversprechens – für die Regionen die Möglichkeit durchsetzte, neben Ukrainisch eine zweite Amtssprache zulassen zu dürfen (in der Regel Russisch, in Transkarpatien auch Ungarisch).


1991-94 Präsidentschaft Leonid Krawtschuks


1994-2005 Leonid Kutschma (Леонид[Леонід] Данилович Кучма) Präsident der Ukraine; Kutsch­ma war 1992-93 unter Krawtschuk bereits Ministerpräsident gewesen; er gehört dem Dnjepropjetrowsker „Clan“ des dortigen Stahl-Oligarchen Viktor Pintschuk (Виктор[Віктор] Михайлович Пинчук [Пінчук]) an, der Kutschmas Tochter heiratete; obgleich Kutschma russisch geprägt ist (er war zu sowjetischer Zeit sogar viele Jahre als Ingenieur für Luft- und Raumfahrt an der Raumstation Bajkonur tätig) ging unter seiner Präsident­schaft die Ukrainisierungspolitik in der Sprachenfrage und hinsichtlich des ukrainischen Geschichtsmythus ungebrochen weiter: sie waren Staatsraison des künstlichen neuen Staates geworden.


Anmerkung von mir:

Diese Aufstellung zeigt einmal mehr ganz deutlich, dass sich die Geschichte des Nationalsozialismus sehr schnell wiederholen kann, wenn nichts dagegen unternommen wird. Unweigerlich erschüttern Erinnerungen an Nazi-Deutschland nebst ihren Gräueltaten die Gedanken von Menschen, die heute überhaupt noch in der Lage sind, selbsttätig zu denken und sich nicht von Propagandamedien blenden lassen.

Für dieses veröffentlichte Referat, welches zu einer Zeit (2015) erstellt wurde als die Ukraine für westliche Länder noch kaum eine Rolle spielte bin ich Larissa sehr dankbar. Es gewährt jedem Leser einen Einblick in die ganz tiefe Geschichte der heutigen Ukraine, die unbedingt weiterverbreitet werden sollte, bevor nationalistische Kräfte heutiger Regierungen dafür sorgen, dass sie langfristig genauso verschwindet, wie einst wertvolle Literatur das dritte Reich nicht überdauerte und z.B. der Bücherverbrennung anheim fiel. 

 Mit diesen mahnenden Worten grüßt euch

euer Badenser Salat-Blogger aus Offenburg,

Helmut Forensalat