Montag, 12. November 2012

Frankreichs illegale Jagd nach Steuersündern

Quelle: Wirtschafts Blatt

Inkognito. Auf breiter Front reisen französische Steuerfahnder in die Schweiz und sammeln vor Ort Daten und Beweise gegen mögliche Verdächtige.

Bern. Französische Beamte machen in der Schweiz illegal - und zwar mit Polizeimethoden - Jagd auf Steuerhinterzieher. Das berichtet die aktuelle Ausgabe der „SonntagsZeitung". Das Blatt beruft sich auf direkte Gespräche mit Steuerfahndern einer „Elite-Einheit" des französischen Staates gegen die Steuerhinterziehung. Die Schweizer Bundesanwaltschaft bestätigt das Vorgehen und sieht die Souveränität der Eidgenossenschaft verletzt. Das Französische Finanzministerium gibt sich zugeknöpft.
Steuerpolizei
Rund 500 Beamte sind der französischen „Direction Nationale des Enquêtes Fiscales" (DNEF) unterstellt. Sie dürfen Polizeimethoden anwenden und operieren offenbar auch in der Schweiz. Ein DNEF-Beamter enthüllte gegenüber dem Blatt einige Details über ihre Inkognito-Abstecher in die Eidgenossenschaft.
So gebe es klare Regeln für die Fahndungsreisen: Einreisen dürften sie nur in ihrer Freizeit, warum am Tag ihres Grenzübertritts automatisch Urlaub in das Personal-Kontrollsystem des DNEF eingegeben würde. Falls die Beamten mit dem Auto einreisen, stünden ihnen spezielle Nummernschilder zur Verfügung, die im Fall einer Radarkontrolle keine Rückschlüsse auf die französische Steuerbehörde zulassen würden. Ein Beamter gab im Gespräch mit der „SonntagsZeitung" an, dass „die meisten von uns den Zug" nehmen, da sie im Falle eines Verkehrsunfalls von den Schweizer Behörden identifiziert werden könnten.
Detektivarbeit statt Amsthilfe
Verkleidet als Tourist, manchmal in Begleitung eines „Freundes", würden sie dann die Liegenschaften eines Franzosen oder den Sitz einer Firma inspizieren. So könne man auch Scheinfirmen entlarven. Nach solchen Inspektionen starte der DNEF bisweilen neue Verfahren in Frankreich.
Den Beamten sei es strengstens verboten, die Fahndungen in der Schweiz als Geschäftskosten auszuweisen. Alles müsse über die private Kreditkarte laufen, und alle Beweise ihres Aufenthalts würden in den Schredder wandern.
Aufgrund des Steuerabkommens zwischen Bern und Paris müssten die französischen Steuerfahnder zuerst die Hilfe der Schweizer Justiz beantragen, um derartige Abklärungen zu machen. Das französische Finanzministerium als leitende Behörde des DNEF gab sich auf Anfrage der Zeitung allerdings zugeknöpft. Die Beamten würden ausschließlich im Rahmen der Steuerabkommen zwischen Frankreich und der Schweiz handeln, ließ das Ministerium ausrichten. Auf konkrete Vorgehensweisen mit privaten Kreditkarten und speziellen Nummernschildern gab das Ministerium keine Antwort.
Auslandsermittlungen
Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat das Vorgehen der Franzosen bestätigt. „Es ist eine Realität, dass französische Steuerfahnder in die Schweiz einreisen, um hier zu ermitteln", betonte Bundesanwalt Michael Lauber. Ein Fall wie geschildert, müsste nach Strafgesetzbuch wohl als „Handlung für einen fremden Staat" und als „Verletzung der schweizerischen Souveränität" gewertet werden. „Auf Schweizer Territorium dürfen nur schweizerische Behörden staatliche Gewalt ausüben."
Laut dem Blatt sind die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten in Steuerfragen seit mehreren Jahren auf einem Tiefpunkt. Gemäß den französischen Steuerfahndern ist einer der Gründe für vermehrte Ermittlungen in der Schweiz, dass Bern kaum noch auf Rechtshilfegesuche aus Paris reagiere.
Ein bisher unveröffentlichtes Urteil des französischen Kassationsgerichtes zeigt, dass die DNEF-Fahnder mit ihren Ermittlungen offenbar Erfolg haben. Es geht um einen Einsatz in Luxemburg in den Jahren 2006 und 2007. Das Gericht erklärte die Beweise aus dem Ausland für legitim. Für die Behörden im Ausland, deren Souveränität verletzt wurde, sei das Urteil eine Ohrfeige, bilanzierte das Blatt.
In Frankreich beginnen sich offenbar erstmals die Anwälte der Ausspionierten gegen das Vorgehen der Steuerfahnder zu wehren. Der Pariser Steueranwalt Jérôme Barré erklärte gegenüber der „SonntagsZeitung" zu einem Fall aus der Schweiz: „Bei einer Steuerüberprüfung meines Klienten wurde mir gesagt, dass der Fahnder dafür in die Schweiz eingereist war". Der Inspektor habe ihm eine Fülle von Details über den Klienten präsentiert und gesagt, er wisse es einfach. „Danach zeigte er mir einen ganzen Schrank voller Fotos aus der Schweiz", so der Anwalt.
(APA)
Quelle: Wirtschafts Blatt


 

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