... vom 9. Jahrhundert bis
zum Vorabend des „ersten Majdan“ Ende 2004.
- Eine Aufstellung vom Februar 2015 anlässlich eines Schulreferats der Schülerin Larissa
(Nachname nicht bekannt) im Fach Geschichte. Larissa wurde dafür mit
einer 1 benotet. -
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Das Gebiet der heutigen Ukraine in den Jahren 1015 bis 1113 |
9.
Jht. Entstehung des ostslawischen Reichs der Kiewer Rus (Киевская
Русь) (aus Skandinavien eingewanderte Wikinger [Waräger] als
Oberschicht, überwiegend bäuerliche slawische
Mehrheitsbevölkerung), allmähliche Slawisierung der skandinavischen
Oberschicht
Stammvater
des Herrscherhauses der „Rurikiden“: Rurik (russ. Рюрик,
altnord. Hrœrikr „berühmter Herrscher“)
Erste
Zentren: Kiew und (heute: Groß-)Nowgorod (Великий Новгород,
Naugard, Hólmgarðr) in Nordwestrußland
988
„Taufe der Kiewer Rus“ mit Annahme des Christentum (von Byzanz
her, im östlichen Ritus) unter Fürst Wladimir dem Heiligen
(Владимир Святой, Владимир Великийoder
Владимир Креститель)
um
1000 Abschluß des Christianisierung des Volks
1019–1054
Regierung Großfürst Jaroslaws des Weisen (Ярослав Мудрый),
wirtschaftliche und kulturelle Blüte, Höhepunkt der Macht der
alten Kiewer Rus
12.
Jht. durch Erbfolgeregelungen bedingte Zersplitterung des Reichs in
sich befehdende Teilfürstentümer, Übergang des
Großfürstentitels an das Fürstentum Wladimir-Susdal
1220-1240
„Mongolensturm“, Unterwerfung der Teilfürstentümer der Rus
unter mongolische Herrschaft (Tribut- und Kriegsfolgepflicht
gegenüber der „Goldenen Horde“ der Mongolen mit Zentrum an der
unteren Wolga)
in
der Folge allmähliche Verschiebung der slawischen
Siedlungsschwerpunkte in den vonden Mongolen weniger gefährdeten
Norden, Abbruch der bis dahin engen Beziehungen mit Nord- und
Mitteleuropa
13.
Jht. Ausbau der Vormacht von Wladimir-Susdal unter den
Teilfürstentümern der Rus durch Großfürst Alexander Njewskij,
jedoch bald unter Wahrung des Titel Verlagerung des Sitzes der
Großfürstenwürde von Wladimir nach Twer
1299-1325
Verlegung der Kiewer Metropolie (und damit des kirchlichen Zentrums)
zunächst nach Wladimir, dann endgültig nach Moskau
1328
Übernahme des Großfürstentitels durch den Moskauer Fürsten Iwan
Kalita (Иван Калита) (fortan Großfürst von Wladimir und
Moskau) und damit der Vormacht innerhalb der Rus
1300-1430
im Westen der ehemaligen Kiewer Rus eignet sich Litauen immer mehr
Gebiete an: nördlich Weißruthenien (Weißreußen, Weißrußland,
russ. Белоруссия, weißruss. Беларусь), weiter
südlich Eroberung Kiews, Vorstoß vorübergehend weit über den
Dnjepr nach Osten in die Tatarengebiete
1340
Anschluß des südwestlichsten Teils der ehemaligen Kiewer Rus, des
sogenannten Rotreußen (Rotrußland, Rotruthenien, russ.
Червоная Русь) an Polen durch Kasimir d. Gr. (zuvor hatte
das Gebiet kurzzeitig zur ungarischen Krone gehört und dabei
den Statuseines „Königreichs Galizien“ [nach der damals
wichtigen Stadt Halitsch, russ. Галич] erhalten, den es in
der Folge behielt)
1380
Sieg des (groß-)russischen Heers unter dem Moskauer Großfürsten
Dimitrij Donskoj (Дмитрий Донской) auf dem
„Schnepfenfeld“ (Куликово поле) am oberen Don (Gebiet
Tula südlich Moskaus), allmählicher Zerfall der Goldenen Horde
1386
Zusammenschluß Polens und Litauens in Personalunion unter einem
Herrscher (Großfürst Jagiello)
15.
Jht. muslimische Tatarenchanate (Kasan, Krim, Astrachan) treten
Nachfolge der zerfallenden Goldenen Horde an; die südlichen und
östlichen Territorien der ehemaligen Kiewer Rus im Einflußbereich
der Tataren (die dort keinen Territorialstaat errichten, sondern das
Gebiet immer wieder durch Raubzüge verheeren) werden eine Art
herrschaftsfreier Zone („Wildes Feld“, russ. Дикое поле)
ab
15. Jht. allmähliche dialektale und kulturelle Differenzierung
in später so genannten drei Hauptäste des (Ost-)Slawentums:
Großruthenen („Moskowiter“, zunächst noch den Tataren
tributpflichtig), Weißruthenen (unter litauischem Einfluß) und
Rotruthenen (unter starkem polnischem Einfluß bei Polonisierung des
Adels)
15.
Jht. allmähliche Einung der noch den Tataren tributpflichtigen
Teilfürstentümer der Rus unter Moskauer Führung
Ende
15. Jht. im weithin versteppten „Wilden Feld“ beginnt sich
das Kosakentum zu bilden: kleinere, heterogene (Slawen, Tataren)
Gruppen umherstreifender, oft räuberisch lebender Krieger erhalten
mehr und mehr Zulauf ostslawischen Volks, das anderswo keine Zukunft
sah oder Freiheit suchte (etwa vor polnischer Bedrückung in
Rotreußen), woraus sich das in Verfassung und Kriegswesen tatarisch
geprägte, ethnisch immer deutlicher ostslawische Wehrbauerntum der
nun so genannten Kosaken bildet
1547
Großfürst Iwan IV. „der Schreckliche“ (Иван Грозный,
*1530) nimmt den Zarentitel an, Krönung durch den Moskauer
Metropoliten, Einführung byzantinischen Hofzeremoniells; in seiner
Regierung modernisiert Iwan IV. den Staat, schränkt die Macht des
hohen Adels (der Bojaren) ein und stärkt die lokale und bäuerliche
Selbstverwaltung
1552
Sieg Iwans IV. über die Tataren von Kasan, Eroberung des Kasaner
Chanats
1554
Eroberung auch des Tatarenchanats von Astrachan
16./17.
Jht. Ausbreitung der Kosaken (bisher Saporoger Kosaken in den
Randzonen der Tatarengebiete an Schwarzmeerküste und Krim,
Donkosaken weiter östlich zwischen Donjez und Don) in die
neuerworbenen Tatarengebiete, von wo aus sie in der Folge die
Hauptträger der russischenEroberung und Erschließung des Kaukasus,
Sibiriens und Zentralasiens werden
17.
Jht. Ausbildung des Saporoger Kosakentums zu einem regelrechten
Staatswesen – dem Hetmanat – unter Leitung eines Hetmans
1654
Erhebung der Saporoger Kosaken unter Hetman Bogdan Chmelnitzkij
(Богдан Хмельницкий) gegen die polnische
Herrschaft, wodurch das linksufrige Kosakengebiet (östlich des
Dnjepr) mit Kiew, Tschernigow, Sumy und Poltawa dauerhaft zum
Nachfolgestaat der alten Rus zurückkehrt, dem Moskauer Zarentum
1762-96
Regierung Katharinas II. der Großen (russ. Екатерина
Великая, geboren als Prinzessin Sophia von Anhalt-Zerbst) als
Zarin über das Rußländische Reich
1772-95
„Polnischen Teilungen“ unter Preußen, Österreich und Rußland,
neben Litauen und Weißrußen fallen Wolhynien und Podolien
(die rechtsufrigen Gebiete des einstigen Kiewer Fürstentums,
westlich des Dnjepr) an das Moskauer Zarenreich; nurGalizien
(Rotreußen) kommt zu Österreich und bleibt damit weiter außerhalb
1774-94
Siege über die (inzwischen unter Oberherrschaft des Osmanischen
Reichs stehenden) Krimtataren, Annexion deren ganzen Gebiets
(der nördlichen Schwarzmeerküste einschließlich der Krim) unter
Führung des Feldmarschalls Fürst Potjomkin (Григорий
Александрович Потёмкин), Bildung des
Gouvernements Neurußland (Новороссия) aus den erworbenen
Gebieten, Gründung von Städten wie Jekaterinoslaw (Екатеринослав,
heute Днепропетровск), Odessa (Одесса) und
Sewastopol (Севастополь)
um
1800 das Gouvernement Neurußland (Новороссия) des
Rußländischen Reichs mit der Hauptstadt Jekaterinoslaw faßt
im wesentlichen die in den letzten Jahrzehnten neu- oder
wiedergewonnenen Gebiete zusammen: vom Dnjester mit Tiraspol
über Odessa, Nikolajew, Cherson, die Krim und Mariupol die ganze
Nordküste des Schwarzen Meers bis Rostow am Don, nach Norden nicht
weit hinausreichend über Elisabethgrad (Елисаветград,
heute Кировоград), Jekaterinoslaw und Bachmut (Бахмут,
heute Артёмовск); nicht zu Neurußland zählte die
sogenannte Sloboda-Ukraine oder Slobodische Mark (Слобожанщина,
Слободская Украина) mit dem Hauptort Charkow, die
schon länger von den dortigen Kosaken dem „Wilden Felde“ und der
tatarischen Bedrohung abgewonnen war (von Sumy im Nordwesten ostwärts
bis Starobelsk knapp vor Lugansk, nach Norden über Belgorod in der
heutigen Rußländischen Föderation hinausreichend)
19.
Jht. Entstehung einer Literatur in „ukrainischer“ oder
„kleinrussischer“ Sprache innerhalb des Rußländische Reichs als
Teil der russischen Literaturszene sowie mit einiger Verzögerung
auch im österreichischen Galizien
Exkurs:
„Ukraine“, russ. Украина, eigentlich „Grenzland, Mark“,
bezeichnete seit dem 16. Jht. ohne exakte Abgrenzung vor allem die
Gebiete um den mittleren Dnjepr mit Tscherkassy und Krementschug
im Zentrum; der Begriff „Kleinrußland“, russ. Малороссия,
Мала[я] Русь, kam im 17. Jht. als Bezeichnung ungefähr
derselben Gebiete auf, soweit sie dem Rußländischen Reich
unterstanden. Beide Begriffe werden jahrhundertelang mehr oder
weniger gleichwertig gebraucht.
ab
ca. 1850 Entstehung einer „ukrainischen“ Nationalbewegung
(man sagt nun „ukrainisch“ und empfindet den Begriff
„kleinrussisch“ als pejorativ) vor allem im österreichischen
Galizien, dort unter bald staatlicher Förderung bei gleichzeitiger
Unterdrückung „panslawischer“ Ideen („slawische Dreieinigkeit“
aus Groß-, Klein- und Weißrussen), die jedoch in Kleinrußland
(innerhalb des Rußländischen Reichs) überwogen
Exkurs:
Vordenker der staatlichen Förderung des „ukrainischen“
Nationalismus ist der baltendeutsche protestantische Theologe
und Kolonialpolitiker der wilhelminischen Zeit Paul Rohrbach; ihm
ging es vor allem um Eindämmung und möglichst Spaltung
Rußlands, welches er als hauptsächlichen Konkurrenten des
deutschen Reichs auf dem Kontinent sah. Eine zu schaffende
unabhängige „Ukraine“, möglichst im deutschen Einflußbereich,
sollte Rußland schwächen und Deutschland den Zugang zu den
dortigen Rohstoffen und direkte Verbindungswege in die Vorderen
Orient sichern. Österreich nahm Ende des 19., Anfang des 20. Jht.s
diese Gedanken auf, zumal es Rußland als ideelle Schutzmacht der
orthodoxen Serben innerhalb Österreich-Ungarns zunehmend ebenfalls
als Bedrohung sah.
08.03.1917
(23. Februar alten Stils) im Weltkrieg Februarrevolution in Rußland,
Absetzung des Zaren, Einsetzung einer provisorischen Regierung
unter Alexander Kerenskij
April
1917 „Gesamtukrainischer Nationalkongreß“ in Kiew, daraus
hervorgehend Zentralrat (Центральна Рада) als
regionales Revolutionsparlament innerhalb des Rußländischen Reichs
07.11.1917
(25. Oktober alten Stils) Oktoberrevolution in Rußland durch die
kommunistischen Bolschewiken, Absetzung der provisorischen
Regierung Kerenskij
20.11.1917
Ausrufung einer „Ukrainischen Volksrepublik“ (Українська
Народна Республіка) als Teil einer noch vorgesehenen
föderativen Rußländischen Republik für Januar 1918
15.12.1917
Waffenstillstand des revolutionären Rußland mit den Mittelmächten
Jan.
1918 Ausrufung einer „Sowjetrepublik Odessa“, unter Einschluß
Bessarabiens und des Gebiets von Nikolajew (als Teil Sowjetrußlands,
gegen die „Ukrainischen Volksrepublik“)
Jan.
1918 Ausrufung einer „Ukrainischen Sowjetrepublik“ in Charkow
mit Anspruch auf das Territorium der „Ukrainischen
Volksrepublik“
Jan.
1918 Versuch eines bolschewistischen Aufstands in Kiew
25.01.1918
nach Niederschlagung des bolschewistischen Aufstands in Kiew
Ausrufung der „Ukrainischen Volksrepublik“ als eines
selbständigen, vom bolschewistischen(„roten“) Rußland
unabhängigen, bürgerlich („weiß“) regierten Staats durch den
Vorsitzenden des Zentralrats Michail Gruschewskij (vom Anspruch her
über die heutige Ukraine weit hinaus nach SüdRußland
reichend, jedoch ohne Galizien; faktisch unter Kriegs- und
Bürgerkriegsbedingungen vor allem auf die zentralen Gebiete
beschränkt)
Febr.
1918 „Brotfriede“ der „Ukrainischen Volksrepublik“ mit den
Mittelmächten; „Ukrainische Volksrepublik“ ruft das
Deutsche Reich und Österreich-Ungarn zu Hilfe gegen die anrückenden
Truppen der „Roten“
Febr.
1918 Ausrufung einer „Sowjetrepublik Donezk-Kriwoj Rog“
(Донецко-Криворожская Советская
Республика) um die Industriegebiete „Kriwbass“ und
„Donbass“ unter Einschluß weiter nördlicher (Sumy,
Jekaterinoslaw, Charkow), östlicher (Rostower Donkosaken) und
südlicher Gebiete (Cherson) mit Sitz in Charkow, in direkter
Konkurrenz sowohl zur Kiewer „Ukrainischen Volksrepublik“ als
auch zur gerade erst in Charkow gegründeten „Ukrainischen
Sowjetrepublik“, weil man sich in diesen russisch redenden
Landesteilen nicht mit den „Ukrainern“ zu einer Sowjetrepublik
zusammenfassen lassen wollte
03.03.1918
Friedensvertrag von Brest-Litowsk zwischen dem revolutionären
Rußland und den Mittelmächten, der Rußland den Verzicht auf
seine westliche und südlichen Territorien vom Baltikum bis in den
Kaukasus diktierte, wo ein System vom Deutschen Reich abhängiger
Klientelstaaten geschaffen werden sollte
19.03.1918
ein in Jekaterinoslaw zusammengetretener „Allukrainischer
Sowjetkongreß“ muß auf Befehl des Revolutionsführers Lenin die
Auflösung der „Sowjetrepublik Donjezk-Kriwoj Rog“beschließen
und damit die „Ukrainische Sowjetrepublik“ wiederherstellen
Apr.
1918 deutsche Truppen haben fast das ganze für Klientelstaaten
vom Baltikum bis Rostow am Don in Südrußland besetzt, in den
Gebieten der „Ukrainischen Volksrepublik“ gemeinsam mit
österreichisch-ungarischen Truppen; die „Sowjetrepublik Odessa“
und die „Ukrainische Sowjetrepublik“ in Charkow sind durch
die deutsche Besetzung faktisch aufgelöst
28.04.1918
das deutsche Heereskommando in Kiew unter General Wilhelm Groener
setzt die Regierung der „Ukrainischen Volksrepublik“, von
dem man gerufen worden war, mit vorgehaltenen Waffen ab, läßt
eine Großgrundbesitzerversammlung zusammentreten und von dieser
den extrem ukrainisch-nationalistischen früheren zaristischen
General Pawel Skoropadskij zum Hetman des nun so genannten
„Ukrainischen Staats“ wählen
Ende
1918 Rückzug der österreichisch-ungarischen und des Großteils der
deutschen Truppen
14.12.1918
Wiederherstellung der „Ukrainischen Volksrepublik“ unter einem
„Direktorium“, Sturz und Vertreibung Skoropadskijs, der nach
Berlin flieht; faktische Kontrolle über das beanspruchte Gebiet
besteht nur teilweise
06.01.1919
neuerliche Ausrufung einer „Ukrainische Sozialistische
Sowjetrepublik“ (Украинская Советская
Социалистическая Республика) durch die
„Roten“
März
1919 das durch das deutsche Heer wiedergegründete Polen hat
Wolhynien eingenommen, Schwarzmeerküste und Krim werden von
zaristischen Truppen („Weißen“) beherrscht, die „Roten“ sind
weit über den Dnjepr vorgedrungen und haben Kiew eingenommen; die
„UkrainischeVolksrepublik“ (unter Führung von Simon Petljura,
russ. Симон Васильевич Петлюра) existiert nur
noch in einem kleinen Gebiet um Schitomir (Житомир) und
Winniza (Винница)
Nov.
1919 die „Weißen“ haben die „Roten“ vorübergehend weit
zurückgeworfen und kontrollieren den größten Teil der heutigen
Ukraine und fast ganz Südrußland, während von Westen Polen weiter
vorrückt; die „UkrainischeVolksrepublik“ beschränkt sich auf
ein kleines Gebiet um Winniza
1920
in erbitterten Kämpfen besiegen die „Roten“ auf der einen Seite
die „Weißen“, auf der anderen drängen sie Polen zurück; die
„Ukrainische Volksrepublik“ in Winniza geht endgültig unter,
Polen behält neben Galizien (das sich vorübergehend als
„Westukrainische Volksrepublik für unabhängig deklariert hatte)
große Teile Wolhyniens und Weißrußlands
ab
1920 Polonisierungspolitik durch die polnische Regierung in
Galizien und Wolhynien, Beginn eines Untergrundkampfes
extremistischer „Ukrainer“ mit terroristischen Aktionen in
diesen Gebieten
Dez.
1922 nach Beendigung des Bürgerkriegs wird formal die „Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ (UdSSR, russ. Союз
Советских Социалистических Республик
[СССР] als Nachfolgestaat des Rußländischen Reichs (und in
dessen staatlicher Kontinuität stehend) ausgerufen; die „Ukrainische
Sozialistische Sowjetrepublik“ (USSR) ist damit eine der
Einzelrepubliken, in welche sich die UdSSR jetzt formal gliedert;
Hauptstadt der USSR bleibt vorerst Charkow (bis 1934, ab da Kiew);
die Grenzen orientieren sich dabei an jenen des „Ukrainischen
Staats“ Skoropadskijs, jedoch ohne die östlichen Gebiete um Rostow
am Don; Galizien und Teile Wolhyniens bleiben bei Polen, die Krim als
autonome Republik bei der „Rußländischen Föderativen
Sozialistischen Sowjetrepublik“ (Российская Советская
Федеративная Социалистическая Республика)
innerhalb der UdSSR
1929
in Wien (dem wichtigsten Rückzugsgebiet ukrainischer Extremisten
vorwiegend aus dem nun polnischen Galizien, neben Exilantengruppen um
Petljura in Paris und um Skoropadskij in Berlin) Gründung der
OUN („Organisation Ukrainischer Nationalisten“, ukr. Організація
Українських Націоналістів)
1939-1945
mit Beginn des Zweiten Weltkriegs Besetzung Ostgaliziens und
Wolhyniens durch die Truppen der UdSSR gemäß den Vereinbarungen des
sogenannten „Hitler-Stalin-Pakts“
1942-44
im Kriegsverlauf Besetzung Ostgaliziens und Wolhyniens durch deutsche
Truppen
ab
1942 Kooperation vieler nationalistischer Ukrainer mit den
deutschen Besatzungstruppen, Bildung einer eigenen ukrainischen
Waffen-SS-Division (14. Waffen-Grenadier-Division der SS „Galizien“
[Галичина])
1943
in Wolhynien unter Führung von Stepan Bandera (ukr. Степан
Андрійович Бандера) Gründung der UPA (Ukrainische
Aufstandsarmee, ukr. Українська Повстанська
Армія) als bewaffneten Arms der OUN
1943-55
die UPA, die sich in Ideologie und Symbolik eng an den deutschen
Nationalsozialismus anlehnt, führt einen grausamen Untergrundkrieg
gegen die polnischen und jüdischen Bevölkerungsteile Galiziens
und Wolhyniens, wobei weit über hunderttausend Menschen,
möglicherweise mehrere Hunderttausend, den Massakern der UPA zum
Opfer fallen; teilweise kommt es auch zu Kämpfen gegen die
ursprünglich als verbündet angesehenen deutschen Truppen sowie
nach deren Rückzug gegen die sowjetische Armee, die nach Kriegsende
von der sich allmählich in rivalisierende Gruppen auflösenden UPA
noch bis etwa Mitte der 50er Jahre als Guerillakrieg mit Anschlägen
gegen sowjetische Einrichtungen und Sicherheitsorgane fortgesetzt
werden
1945
erneute Besetzung Ostgaliziens und Wolhyniens sowie Karpatenrußlands
durch sowjetische Truppen, Annexion durch die UdSSR gemäß den
Vereinbarungen der Konferenz von Jalta (mit dem britischen
Ministerpräsidenten Churchill und dem amerikanischen Präsidenten
Roosevelt), Anschluß an die USSR
1954
verwaltungstechnische Angliederung der Krim an die USSR durch den
damaligen sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow
Aug.
1991 gescheiterter Putschversuch in Moskau gegen den damaligen
sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow, der eine Liberalisierung
des Staats vorantrieb („Perestrojka“)
24.08.1991
als Reaktion auf den Moskauer Putschversuch Verabschiedung einer
formalen Unabhängigkeitserklärung durch den Obersten Sowjet
oder Rat (russ. Верховный Совет, ukr. Верховна
Рада) der USSR und Ansetzung eines (verfassungswidrigen)
Referendums darüber für Dezember 1991
01.12.1991
Durchführung des Referendums, das eine Mehrheit von etwa 90 % für
eine Unabhängigkeit der USSR ergibt; zugleich Wahl des
bisherigen Vorsitzenden des obersten Sowjets der USSR, Leonid
Krawtschuk (Леонид Макарович Кравчук),
zum Präsidenten der Ukraine, also zum Staatsoberhaupt; Krawtschuk,
aus Wolhynien stammend, langjähriger Spitzenfunktionär der
kommunistischen Partei, hatte sich ab etwa 1989 zum Anführer einer
„nationalkommunistischen“ Gruppe aufgeschwungen, die Partei aber
im August 1991 verlassen
08.12.1991
Vereinbarung von Beloweschskaja Puschtscha (Беловежская
пуща, Weißrußland) zwischen den jeweiligen Vorsitzenden
der Obersten Räte (Sowjete) der Rußländischen, der Ukrainischen
und der Weißrussischen SSR, Boris Jelzin, Leonid Krawtschuk und
Stanislaw Schuschkewitsch, zur Auflösung der Sowjetunion (de
facto ein Staatsstreich gegen den Zentralstaat!)
ab
1992 Einleitung einer sogenannten „Reformpolitik“ nach den
Vorgaben westlicher Berater
Exkurs:
Kern der wirtschaftlichen „Reformen“ seit der Unabhängigkeit
sind die weitgehende Privatisierung der Wirtschaft und die Aufhebung
der sozialstaatlichen Regelungen aus sowjetischer Zeit. Staatliche
Fürsorge wurde ersatzlos abgeschafft (so das kostenlose
Gesundheitssystem und die Garantie eines Arbeitsplatzes). Ein
Ersatz in Form einer gesetzlichen Kranken- oder
Arbeitslosenversicherung bestand nicht und besteht bis heute nicht.
Krankheit bedeutet seitdem für ärmere Bevölkerungsschichten
oft unmittelbar wirtschaftliche Not. Die Lebenserwartung ist
gesunken, die Bevölkerungszahl von fast 52 Mio. zu Beginn der
Unabhängigkeit durch erhöhte Sterblichkeit, verminderte
Geburtenrate sowie Auswanderung um rund 6,5 Mio. oder 12,5 % auf
heute nur noch wenig über 45 Mio. zurückgegangen.
Die
Privatisierung von Staats- oder „volkseigenen“ Unternehmen und
Bodenschätzen erfolgte meist ohne Rücksicht auf die dort
Beschäftigten. Fast immer wurden Unternehmen, Abbaurechte und
dergleichen in undurchsichtigen Verfahren zu einem Bruchteil ihres
Werts an Personen verkauft, die aus der Sphäre der organisierten
Kriminalität stammten oder zumindest auf ungeklärte Weise zu
den zwar unangemessen niedrigen, für „Sowjetbürger“ aber immer
noch exorbitant hohen Summen Geldes gekommen waren, welche sie für
ihre Erwerbungen bezahlten.
Auf
diese Weise wurden wenige Personen binnen kurzem zu Milliardären
(den bald so genannten „Oligarchen“), eine kleine Minderheit (die
„neuen Russen“, wie man sie nannte) gelangte zu großem Reichtum,
doch die breite Mehrheit des Volks fiel in ihrem Lebensstandard
weit hinter ihren aus sowjetischer Zeit gewohnten Status zurück.
Parallel
dazu wucherte die Korruption immer mehr. Das Phänomen als solches
kannte schon das zaristische Rußland, in sowjetischer Zeit lebte es
weiter, nur in der Stalinzeit vorübergehend unterdrückt. Unter
den beschriebenen Auspizien der Unabhängigkeit fielen gleichsam alle
Schranken, die Korruption wurde ganz bestimmend in Alltag und
Politik.
Ein
wichtiger Machtkern oligarchischer Kontrolle der Politik wurde in den
1990er Jahren die „Sozialdemokratische Partei der Ukraine“ (ukr.
Соцiал-демократична партiя України)
um Viktor Medwedtschuk (Виктор[Віктор] Медведчук)
und die Brüder Surkis (Григорий[Григорій] und
Игорь Суркис [Ігор Суркіс]). Ab 1994 saß für
diese Partei unter andern Leonid Krawtschuk im Parlament (der
Werchowna Rada), ab 1998 auch Pjotr Poroschenko (Пётр[Петро]
Порошенко).
Die
meisten der in der Folge gegründeten Parteien standen und stehen
unter der Kontrolle der einen oder andern Oligarchengruppierung,
wenigstens drei Viertel der Abgeordneten des Parlaments sind von
den Oligarchen abhängig. Die häufigen Parteiwechsel einzelner
Abgeordneter oder meist von ganzen Abgeordnetengruppen erklären sich
aus dem Geschiebe um Einflußsphären der Oligarchen.
Neben
diesem oligarchisch bestimmten Parteiwesen besteht aus sowjetischer
Zeit die Kommunistische Partei unter Pjotr Simonjenko (Пётр
Николаевич Симоненко) fort; ferner entstand
außerhalb des oligarchisch kontrollierten Systems die Progressive
Sozialistische Partei der Ukraine (Прогрессивная
социалистическая партия Украины) unter
Natalia Witrenko (Наталья Михайловна Витренко).
Ein
weiterer bestimmender Faktor der ukrainischen Politik neben den
Oligarchen ist die Sprachenfrage, die in sowjetischer Zeit keine
nennenswerte Rolle spielte, mit der Unabhängigkeit aber neu
auflebte, oder besser: erstmals zum echten Problem wurde.
Zwar
hatte Lenin mit der Schaffung der USSR ein staatliches Gebilde unter
„ukrainischem“ Namen geschaffen, welches in seiner
Ausdehnung mit gewissen Abstrichen den Ansprüchen der ukrainischen
Nationalisten entsprach, erst recht nach der Angliederung Galiziens
durch Stalin; es blieb aber integraler Teil des alten Rußländischen
Reichs, das nun Sowjetunion hieß.
Die
Volkssprache war nur im Westen Ukrainisch, im Süden und Osten sprach
man Russisch in derselben südrussischen Mundart wie auf der
andern Seite der Verwaltungsgrenzen der USSR, z. B. in Belgorod
oder Rostow am Don, die Zentralukraine war eine Übergangszone, bei
Überwiegen des Ukrainischen auf dem Land und gemischten
Verhältnissen in den Städten. Staats-, Verwaltungs-,
Unterrichts- und Literatursprache, also die Sprache des öffentlichen
Lebens, war Hochrussisch.
Anfang
der neunziger Jahre wurde schlagartig Ukrainisch als Staats-,
Verwaltungs-, und Unterrichtssprache eingeführt, eine Maßnahme, die
im Süden und Osten vom Volk nie akzeptiert und dort auch
verwaltungsseitig nur schleppend umgesetzt wurde. An der tatsächlich
vom Volk gesprochenen Sprache hat die staatliche
Ukrainisierungspolitik kaum etwas geändert, im Gegenteil: Eine
Untersuchung der Ukrainischen Akademie des Wissenschaften hat
vor einigen Jahren ergeben, das der Gebrauch des Russischen in fast
allen Regionen der Ukraine im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre
weiter zugenommen hat; lediglich im äußersten Westen hat das
Ukrainische sein Übergewicht noch ausbauen können.
Der
im Alltag bevorzugten Sprache entspricht meist auch die gewissermaßen
kulturelle Orientierung des Volks: der Blick nach Westen oder nach
Rußland. Dieselbe Teilung findet sich – neben den
oligarchischen Einflußsphären – auch im Parteiensystem wieder.
Jede Partei gilt als entweder westlich oder als russisch orientiert.
In
der praktischen Politik spiegelte sich die „russische Orientierung“
unter den aus dem alten „Neurußland“ stammenden Präsidenten
Kutschma (1994-2005) und Janukowitsch (ab 2010, 2014 durch einen
Putsch abgesetzt) nur sehr begrenzt wieder. Die Schaffung einer
ukrainischen Geschichtsmythologie (mit Rückführung auf die antiken,
angeblich „arischen“ Skythen – das „Ariertum“ spielt in
diesem Ukrainemythus eine wichtige Rolle) wurde ungebrochen
fortgesetzt als willkommene Rechtfertigung der eigenen
Unabhängigkeit: offensichtlich ein primäres oligarchisches
Interesse, beherrschte man doch faktisch den Staat und konnte so
ungehindert die eigenen wirtschaftlichen Interessen bedienen. So war
es auch erst Präsident Janukowitsch, der 2012 – in Einlösung
eines Wahlversprechens – für die Regionen die Möglichkeit
durchsetzte, neben Ukrainisch eine zweite Amtssprache zulassen zu
dürfen (in der Regel Russisch, in Transkarpatien auch Ungarisch).
1991-94
Präsidentschaft Leonid Krawtschuks
1994-2005
Leonid Kutschma (Леонид[Леонід] Данилович Кучма)
Präsident der Ukraine; Kutschma war 1992-93 unter Krawtschuk
bereits Ministerpräsident gewesen; er gehört dem Dnjepropjetrowsker
„Clan“ des dortigen Stahl-Oligarchen Viktor Pintschuk
(Виктор[Віктор] Михайлович Пинчук
[Пінчук]) an, der Kutschmas Tochter heiratete; obgleich
Kutschma russisch geprägt ist (er war zu sowjetischer Zeit sogar
viele Jahre als Ingenieur für Luft- und Raumfahrt an der Raumstation
Bajkonur tätig) ging unter seiner Präsidentschaft die
Ukrainisierungspolitik in der Sprachenfrage und hinsichtlich des
ukrainischen Geschichtsmythus ungebrochen weiter: sie waren
Staatsraison des künstlichen neuen Staates geworden.
Anmerkung von mir:
Diese Aufstellung zeigt einmal mehr ganz deutlich, dass sich die Geschichte des Nationalsozialismus sehr schnell wiederholen kann, wenn nichts dagegen unternommen wird. Unweigerlich erschüttern Erinnerungen an Nazi-Deutschland nebst ihren Gräueltaten die Gedanken von Menschen, die heute überhaupt noch in der Lage sind, selbsttätig zu denken und sich nicht von Propagandamedien blenden lassen.
Für dieses veröffentlichte Referat, welches zu einer Zeit (2015) erstellt wurde als die Ukraine für westliche Länder noch kaum eine Rolle spielte bin ich Larissa sehr dankbar. Es gewährt jedem Leser einen Einblick in die ganz tiefe Geschichte der heutigen Ukraine, die unbedingt weiterverbreitet werden sollte, bevor nationalistische Kräfte heutiger Regierungen dafür sorgen, dass sie langfristig genauso verschwindet, wie einst wertvolle Literatur das dritte Reich nicht überdauerte und z.B. der Bücherverbrennung anheim fiel.
Mit diesen mahnenden Worten grüßt euch
euer Badenser Salat-Blogger aus Offenburg,
Helmut Forensalat